
Und dann plötzlich zuckt ein blitz vom Himmel herab. Der Rhein steht in Flammen, und Angelika Express werden mal so eben als Vorband für die Fehlfarben-Tour 2003 gebucht. In smarten dunklen Anzügen und mit dem ersten gleichnamigen Album in der Tasche präsentieren sie ihre sehenswerte Bühnenshow mit einer guten Portion Selbstbewusstsein. Das Publikum ist begeistert. Die deutschen Texte sprechen den Zuhörer direkt an. Bei den vielen kleinen Anekdoten trifft mindestens eine sofort die Seele. Hier trifft die Liebe das alltägliche Leben und das System die Rebellion. Entweder schwappt ein wenig schottischer Liebeskummer über ("Teenage Fanclub Girl") oder alltägliche Situationen, zum Beispiel morgens ziemlich verkatert im Café sitzen und sich wundern, warum die anderen um einen herum so gut drauf sind ("Verkaterter Dienstag"). Angelika Express verraten ihre Träume und Ängste mit knarrenden Gitarren und poppigen Rhythmen. Sie selber benennen es so: "Wir haben Diskoterror und lärmendes Massaker mit dem Zuckerguss des ewigen Popsongs überzogen."
Die drei Angelikas bleiben auch nach der ordentlichen Konzertreise mit den Herren Fehlfarben nicht auf ihren smarten Popos sitzen. Im Gegenteil. Nach ein paar Tagen Verschnaufpause tingeln sie durch ihre Heimatstadt und beschallen an einem einzigen Tag zahlreiche Plattenläden, Kneipen und schummrige Bars. verzerrt, unplugged und ziemlich süffig. Anschließend dehnt sich die Club-Tour weiter quer durch Deutschland aus. U.a. in die überbewertetste Szenestadt Berlin. Die werden Augen machen. Mit kleineren Sticheleien versuchen Angelika Express, die bombastische Hauptstadtszene und einige ihrer Musiker durch die aktuelle Singleauskopplung anzusprechen: "Geh doch nach Berlin" (hierzu gibt es übrigens ein eigens erstelltes Low-Budget-Video) wird vielleicht auch SIE berühren und ihre Ärsche vom hohen Ross auf den Boden der Tatsache zurückholen.
Überhaupt geht dieser ganze szene-Scheiß den dreien ziemlich am Popo vorbei. Auch die immer wieder versuchte Manie, Britpop hierzulande mit deutschen Bands zu verkörpern, so wie es Tomte oder auch Atomic versuchen. Damit haben sympathischerweise alle drei ein Problem. Sie halten nichts von Oasis-mäßiger Arroganz am Bühnenrand. Sicherlich haben auch die Angelikas ein aufdringliches Pöbel-Erscheinen, aber es ist gesund und guter Laune. Schlagzeuger Jens beschreibt die Bühnenshow von Angelika Express sehr treffend: "Wenn man auf eine Party geht und nur in der Ecke steht und sich die Leute anschaut, ist der Abend unheimlich langweilig. Wenn man sich dagegen unter die Leute mischt, ist das schon etwas ganz anderes. Ich denke, wir versuchen, ganz einfach mit dem Publikum zusammen eine geile Party zu veranstalten."
Ein Glück, dass dies das kleine Label Paul! (www.paulist.net) aus Wuppertal entdeckt hat. Die haben nicht nur die Single, sondern gleich das ganze Album veröffentlicht. Die Angelikas sind damit vollkommen zufrieden, auch wenn nicht viel Kohle dahinter steckt.
Trotzdem verkünden sie im Sommer 2005 das Ende der Band auf einer Fanseite, da die offizielle Webseite "in die Hände von Internet-Schuften gelangt die unter dieser Adresse gefährlichen käse installiert haben". In der Erklärung der drei heißt es: "Nach 3 Jahren, 2 Studioalben, einem Livealbum, 2 EPs und diversen Singles sowie ca. 250 Konzerten mit dieser Band ist es für jeden von uns Zeit Neues auszuprobieren. Ob das Experiment Angelika Express irgendwann in anderer Form weitergeht können wir im Moment nicht sagen. Was wir aber definitiv wissen: Jens Bachmann und Alex Jezdinsky machen ab Sofort unter dem Namen "Overschmidt" (www.overschmidt-music.de) die Szenen unsicher während Robert Drakogiannakis bereits mit seinem Elektro-Pop-Punk-Duo "Planetakis" (www.planetakis.de) am Start ist und noch im Herbst ein Album veröffentlichen wird.
Diskografie
# Geh doch nach Berlin (Single, 24. Februar 2003)
# Angelika Express (Debut-Album, 10. März 2003)
# Eigentlich, eigentlich (Single, 26. Mai 2003)
# Ich bin kein Amerikaner (EP, 24. November 2003)
# Nimm mich mit (Single, 22. März 2004)
# Alltag für alle (Album, 29. März 2004)
# Rock Fucker Rock (Single, 7. Juni 2004)
# Phantome (EP, 15. November 2004)
# Pornographie: Eine Nacht mit Angelika Express im Gleis 22 (Live-Album, 4. April 2005)
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